Franz Tumler und Laas

Franz Tumlers Leben und Werk ist eng verbunden mit seiner Heimat, dem Vinschgau und der Gemeinde Laas, dessen Ehrenbürger Franz Tumler war. Die Gemeinde Laas hat in den letzten Jahren immer wieder durch Lesungen, Buchvorstellungen und Ausstellungen vor allem aber auch im Rahmen der Tätigkeiten der Bibliothek Franz Tumler als Schriftsteller und Mensch sowie sein literarisches Oeuvre gewürdigt.

„Marmorstück von Laas“.

In keiner Sprache geht etwas verloren. Franz Tumler und Laas

„Aber für mich ist es mehr als eine Ansichtskarte, wo ich die Wege nun noch einmal in Gedanken gehe, auch die gesprochenen Wörter wie noch einmal höre; und es ist nicht vorherzusehen, wie viel an größerer Welt hervortritt.“ Franz Tumler verband mit Laas mehr, als man es aus den nüchternen biographischen Daten entnehmen könnte. Immer wieder ist seit 1933 der Heimat seines Vaters, eines aus dem Zerminiger-Hof in Schlanders stammenden Gymnasiallehrers in Bozen, näher gekommen: „Ich war [...] 1933, zum erstenmal bewußt als erwachender Mensch, der sich um seine Herkunft kümmert in der Heimat meines Vaters gewesen. Bei einem früheren Besuch hatte ich sie als Kind gesehen. Diesmal war ich anders gekommen: ein Heranwachsender, der sich als Person zu bestimmen trachtet. Ich hatte Verwandtschaft gespürt: etwas Geheimnisvolles zog mich an, es war mir begegnet in der Landschaft , in den Gesichtern der Menschen, in ihrer Sprache; ich fühlte einen älteren Lebensgrund.“ Der „Berliner“ und in der deutschen Literaturszene – Freundschaft mit Gottfried Benn, Jean Amèry und Bekanntschaft mit Günther Grass sowie der „Gruppe 47“ - verhaftete Franz Tumler ist freilich immer wieder nach Südtirol zurückgekehrt. Er hat sich gerne in Laas umgesehen, seine Kusinen und Vettern Ernst und Franz Muther besuchend, betrachtete die Laaser tagelang und schaute ihnen aufs Maul. Sein Naheverhältnis zu ihrer ureigenen Sprache war ein familiäres, und weil es für Franz Tumler immer nur „geschrieben“ galt, stiftete seine Begegnung mit Laas und der Heimat seines Vaters „aufgeschriebene“ Erinnerung. Zudem beeindruckten ihn immer wieder der Marmorbruch und der Lagerplatz mit den vielen weißen Marmorblöcken, die auch heute den Besucher am Laaser Bahnhof empfangen. So wird im Gedicht „Marmorstück aus Laas“ der Stein zu einer Metapher des Sprechens.

Franz Tumler lässt in seinen Texten über seine Heimat den Leser am unmittelbar Erlebten konkret teilnehmen, an Begegnungen, an Gesprächen mit den Vettern und den Einheimischen, an seinen Aufenthalten und Touren in Tälern, auf Bergen und in Gasthöfen. Er vergegenwärtigt, wie an einem Ort ein Gespräch und Eindrücke entstehen, die er niederschreibt oder in Notaten und Briefen festhält, die dann zu Kurzgeschichten, Erzählungen und sogar Romanen werden:
„Da hatte ich zum ersten Mal auch etwas Ungesagtes von meinem Vater verstanden: Bleib nicht, geh hinaus auf die Straße, geh weiter hinaus, komm zurück, aber geh wieder hinaus; und immer so: Nichtbleiben, Hinausgehen, da kommst du zu Leben. Geh, geh; wenn du gehst und sprichst, schneiden deine Wörter die Luft entzwei, und so weit die Luft von Wörtern durchschnitten ist, ist der Mensch gekommen. Die Müdigkeit hält dich nicht auf, Krankheit hemmt dich nicht, und so weit deine Wörter schneiden, bist du voran. Geh nicht schön, wisch dir den Rotz ab, eines Tages bist du in Rom. Schau dir den Fluß an, graues Gebirgswasser, aber es ist Wasser wie zerriebener Stein.“

Ferruccio Delle Cave